Vegan wird häufig als Pro-Klima-Argument aufgeführt. So manch einem springen bei diesem Thema sofort Bilder von pupsenden Kühen in den Kopf. Und dann dauert es in der Regel nicht lange bis jemand ruft:
Halt! Aber was ist mit den Avocados? Auf Fleisch zu verzichten um dann importierte Südfrüchte zu essen rettet das Klima ja auch nicht.
Stimmt, Südfrüchte sind nicht cool fürs Klima. Jetzt ist die ganze Sache halt nicht so einfach. Wären Ernährung und Klima ein Paar, dann würde der Beziehungsstatus wohl dauerhaft lauten: es ist kompliziert. Versuchen wir mal ein bisschen Licht in die Dunkelheit zu bringen.
Gleich vorneweg: ich bin der festen Überzeugung, dass Tiere keine Produktionswaren sind. Bei der Lebensmittelwahl sollten also immer auch ethische Aspekte eine Rolle spielen. Weil Klima und Ernährung für sich allein aber schon kompliziert genug sind, lassen wir für diesen Artikel mal alle ethischen Wertevorstellungen außen vor.
Bisschen Basics: warum wird es auf der Erde wärmer?
Sonnenstrahlung kann so gut wie ungehindert durch die Atmosphäre treten und auf die Erdoberfläche auftreffen. Die Erde erwärmt sich und strahlt dann ihrerseits Infrarotstrahlung (wärmende Strahlung) zurück. Ein beträchtlicher Teil dieser Strahlung kann die Erdatmosphäre jedoch nicht mehr verlassen, denn sie wird von Atmosphärengasen absorbiert und zurückgehalten. Und das ist auch gut so! Denn ohne diesen Effekt, der auch als Treibhauseffekt bekannt ist, hätten wir weltweite Durchschnittstemperaturen von -21 °C. Tatsächlich haben wir gerade aber dank dem Treibhauseffekt eine Durschnitttemperatur von etwa 14 °C. Das ist doch schon viel angenehmer.
Die wichtigsten Vertreter dieser rückhaltenden Atmosphärengase (auch Treibhausgase, kurz THG) sind übrigens Wasserdampf und – wer erräts? – CO2. Außerdem spielen gerade bei der Nutztierhaltung auch noch Methan und Stickoxide eine bedeutende Rolle. Ein Problem werden alle diese Treibhausgase erst, wenn zu viele davon in die Atmosphäre gelangen. Denn dann wird mehr Infrarotsttrahlung zurückgehalten als üblich und das Klima erwärmt sich.
Wie die Nutztierhaltung den CO2-Ausstoß in die Höhe treibt
Die komplette THG-Emissionen der Nutztierhaltung wurde von der FAO auf satte 14,5 % der globalen THG-Emission berechnet. Wie setzt sich diese Zahl zusammen? Die Hauptübeltäter sind hier die Futtermittelproduktion und tatsächlich auch die Gärungen in den Bäuchen von Wiederkäuern. Da wären wir also wieder bei den pupsenden Kühen. Das, was da bei den gemütlichen Kauern hauptsächlich hinten rauskommt, ist übrigens Methan. Was auch noch in diesen 14,5 % berücksichtigt ist, ist die Güllelagerung und der Transport von den fertigen Tierprodukten.
Die THG-Emission ist aber nicht der einzige Schädling für das Klima. Es kommt noch etwas hinzu, was die FAO in dieser Rechnung nicht miteinbezieht: die Rodung von Wald, welcher wieder CO2 binden könnte. Wald ist ein deutlich besserer CO2-Aufnehmer als beispielsweise eine Wiese oder ein bloßer Ackerboden. Etwa 83 % der landwirtschaftlich genutzen Flächen werden für die Produktion von tierischen Produkten genutzt. Ein erheblicher Teil dieser Fläche war einmal Wald. Waldkonservierung und -wiederaufforstung sind die effektivsten Möglichkeiten, CO2 aus der Atmosphere wieder zu binden.
Und wie schneiden Tierprodukte jetzt im Vergleich zu pflanzlichen Alternativen ab?
Dass Tierprodukte klimatechnisch nicht so das Gelbe vom Ei sind, haben wir denke ich verstanden. Die Frage ist halt, was man stattdessen isst. Hat man die Wahl zwischen einem Stück Fleisch und einer großen Schüssel Getreide mit der gleichen Kalorienmenge, schneidet das Getreide ganz klar besser ab. Logisch. Das Tier muss erst das Getreide (oder Soja) fressen und „verschwendet“ dann beim heranwachsen wertvolle Kalorien aus dem Getreide für Lebensenergie.
Wie sieht es aber aus, wenn ich statt dem Stück Fleisch nicht Getreide, sondern Obst und Gemüse esse? Eindeutig lässt sich diese Frage schlichtweg nicht beantworten, denn es spielen viele Foktoren eine Rolle. Hat das Gemüse gerade Saison oder stammt es aus dem Treibhaus/ der Lagerhalle? Wurde es regional angebaut oder hat es Transportwege hinter sich? Was die Anbauflächen jedoch angeht steht fest: es wäre weniger als für Tierhaltung und Futtermittel benötigt würde. Also mehr Platz für den CO2-Fänger Wald.
Dosen-Aprikosen haben eine schlechtere CO2-Bilanz als Buttermilch
Um trotz starker Variationen einfach mal eine grobe Vorstellung von der Klimaverträglichkeit verschiedener Lebensmittel zu bekommen, sind CO2-Rechner sehr hilfreich. Und da zeigt sich: vegane Lebensmittel schneiden nicht immer am besten ab. Wenn wir nochmal zurück zu den Avocados vom Anfang kommen, so haben diese laut dem Rechner eine CO2-Emission von 0,05 kg pro 100 g Frucht. Dosen-Apriosen verursachen dann schon 0,17 kg CO2. Das ist zwar weniger als Hähnchenfleisch mit 0,37 kg CO2, aber mehr als Buttermilch mit 0,12 kg CO2! (alle CO2-Angaben beziehen sich hier auf 100 g Produkt).
Trotz teils sehr individueller Klimaverträglichkeiten ist eine deutliche Tendenz zu erkennen. Fleischprodukte sind die stärksten CO2-Verursacher, gefolgt von Käse, gefolgt von exotischem Obst und Milch, gefolgt von heimischem Getreide, Gemüse und Obst. Wenn eine energieaufwändige Verpackung wie eine Dose dann noch das Lebensmittel umhüllt, schneidet es gleich um einiges schlechter ab.
CO2-Modellrechnungen für verschieden Ernährungsformen im Vergleich
Die Wissenschaftler Berners-Lee et al. haben für die UK einige THG-Emissionsrechnungen für Omnivore, Vegetarier und Veganer durchgeführt. Die Berechnungen beruhen auf realitätsnahen Ernährungsmustern. Also keine Idealszenario mit ausschließlich regional und saisional. Bei einer typischen vegetarischen Ernährungsform haben sie einen jährlichen Rückgang an ernährungsbezogenen THG-Emissionen von ca. 18 % gegenüber der UK-Durchschnittsbevölkerung errechnet. Bei einer veganen Ernährungsform betrug der Emissionsrückgang etwa 23 %.
Was es außer der CO2-Bilanz noch zu beachten gibt und Fazit
Gerade haben wir geklärt, dass Avocados klimatechnisch gar nicht so schlecht darstehen. Also relativ gesehen, im Vergleich zu so manch einem tierischen Lebensmittel. Ist das somit ein Freifahrtschein, sich mit den leckeren grünen Früchten so richtig einzudecken? Nicht ganz. Denn ein bewusster Konsument hat noch mehr im Blick, als nur die CO2-Emission. Für den Avocadoanbau wird teilweise viel Wald gerodet, besonders in Mexiko. Ganz abgesehen davon verbraucht der Anbau auch gigantische Mengen an Wasser. Und das in Regionen, in denen Wasser ohnehin knapp ist. Das wahrscheinlich größte Problem bei den Avocados ist aber: sie führen zu organisierter Kriminalität. Es kommt z.B. zu Schutzgelderpressungen von Bauern. Eine gute Netflixdoku hierzu ist Verdorben.
Die Avocado sollte hier nur als Beispiel dienen. Es gibt viele weitere politisch-wirtschaftlich problematische Lebensmittel. Darunter Kakao und Palmöl, um hier nur Wenige zu nennen. Mein Punkt ist einfach, ein bisschen den Blick fürs große Ganze zu öffnen: Klima ist wichtig, genauso aber auch Schutz von Menschen vor Ausbeutung und Tierschutz. Alles richtig zu machen ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Aber es kann auch richtig Spaß machen, sich damit auseinanderzusetzten und zu versuchen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen!
Quellen
- https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160932716300308
- http://www.fao.org/news/story/en/item/197623/icode/
- https://science.sciencemag.org/content/360/6392/987
- http://www.fao.org/3/a0701e/a0701e00.htm
- https://blog.globalforestwatch.org/climate/conserving-forests-could-cut-carbon-emissions-as-much-as-getting-rid-of-every-car-on-earth
- https://www.newscientist.com/article/dn16573-eating-less-meat-could-cut-climate-costs/
- https://www.klimatarier.com/de/co2_rechner
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0301421511010603
- http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/inpho/docs/Post_Harvest_Compendium_-_Avocado.pdf
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